Vom Koch zum kochenden Erzieher
Steffen Eisenmann wagt mit über 40 Jahren noch einmal einen beruflichen Neuanfang. Seit neun Monaten macht er bei der städtische KiTa Tausendfühler seine Ausbildung zum Erzieher. Dafür tauscht er Kochschürze gegen Bastelschere, drückt noch einmal die Schulbank und fängt sich den ein oder anderen KiTa-Virus ein. Und warum? Weil es ihn glücklich macht.
Der Garten der KiTa Tausendfühler in Freiburg Haslach ist groß und bietet viel Platz zum Spielen. Während die einen am meditativen Sandeln sind, rennen andere Kinder die Hügel rauf und runter. Wieder andere legen ihre Baselbilder zum Trocknen hinaus in die Sonne. Und mittendrin ist Steffen. Der 44-Jährige macht in der KiTa seine Ausbildung zum Erzieher. Dafür hat er seinen Job als Koch an den Nagel gehängt.
Bereits während seiner Zeit in der Realschule hatte Steffen beim Berufswunsch zwischen Kindergärtner (so die damalige Bezeichnung) und Koch geschwankt. Doch die Arbeit am Herd lag erstmal näher: Im Hotel, in dem er seine Ausbildung begann, war er zuvor als junger Autogrammjäger unterwegs. „Dort waren regelmäßig die Bundesligavereine zu Gast, die gegen den SC Freiburg gespielt haben.“, sagt der heute 44-Jährige.
Irgendwann kannte das Hotelpersonal den Autogrammjäger so gut, dass sie den damals 13-Jährigen hinters Buffet holten, wo er die Fußballstars bedienen durfte: „Ich war noch viel zu klein und habe eine viel zu große Kochjacke bekommen“, erinnert sich Steffen. Für ihn als junger Teenager waren das prägende Spektakel. „Also bin ich den Weg gegangen und habe diesen ersten Berufsweg auch wirklich sehr gemocht“, sagt Steffen. Als Koch ist er herumgekommen: Stuttgart, Engelberg, Zürich, Berlin, Fuerteventura – vom Skihotel auf dem Berg zum Ressort am Strand.
Alles auf Neuanfang
In Berlin arbeitete Steffen lange in einer großen Fröbel-Einrichtung als Kindergarten-Koch, direkt am Alexanderplatz. „Zusammen mit meinem Küchenteam haben wir für 240 Kinder gekocht. Das war super und ich habe die ganze Küche umgekrempelt“, sagt der ehemalige Koch, der auch ein Fernstudium zum Ernährungsberater abgeschlossen hat. Ungesunde Pulverküche flogen raus, gesundes Essen rein.
Irgendwann ging es für den 44-Jährigen zurück in die Freiburger Heimat. Dort arbeitete er vorerst wieder in leitender Position in einem Restaurant. Doch die Kids, und vor allem das Kochen mit ihnen, fehlten Steffen. „Bei der Arbeit in der Hotellerie und im Restaurant ist es immer stressig, laut und der Ton ist harsch. Das hat mir zwar immer Spaß gebracht und es gehört einfach dazu“, sagt er. Aber irgendwann war es dem damals 43-Jährigen zu viel und bis zur Rente wollte er nicht als Koch arbeiten. Immer im Hinterkopf: Seine Erfahrungen mit den Kids in Berlin.
Schließlich war seine Entscheidung getroffen und die Suche ging los: „Mit über 40 wieder von vorne anzufangen, nachdem man sich beruflich schon etwas aufgebaut hat, das war keine leichte Entscheidung“, erinnert sich Steffen. Doch er suchte zur richtigen Zeit nach dem richtigen Weg: 2023 kam der KiTa-Direkteinstieg in Baden-Württemberg. Ein Pilotprojekt, das heute im zweiten Jahr ist und sich an Menschen richtet, die bereits Berufserfahrung haben. Mit ihrem Quereinstieg und einer verkürzten Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin möchte das Land qualifizierte Fachkräfte finden.
Verkürzte Ausbildung heißt: Zwei Jahre bis zum Abschluss sozialpädagogische Assistenz. Im Anschluss kann man sich entscheiden, ob man das Anerkennungsjahr in sechs oder in zwölf Monaten macht, um den Abschluss Erzieher*in zu erhalten. Diese Komprimierung hat es durchaus in sich. „Wenn man sich für diesen verkürzten Weg entscheidet, muss man vieles aufholen und einiges an Zeit, auch neben Schule und KiTa, investieren“, sagt Steffen. „Dafür bin ich schneller fertig. Man muss immer die Positiven Dinge sehen.“
Vom Ausbilder zum Azubi
Durfte Steffen in seinem Beruf als Koch noch selbst ausbilden, ist er seit einem Dreivierteljahr wieder Auszubildender. Neben jeder Menge Spaß, hat er sich dabei auch schon einige „KiTa-Viren“ eingefangen. „Das gehört am Anfang einfach mit dazu“, lacht der 44-Jährige. Irgendwann würde sich das Immunsystem daran gewöhnen.
Hat er seine Entscheidung, einen neuen Berufsweg einzuschlagen jemals bereut? „Ich habe es keine Minute bereut. Ich freue mich morgens zur Arbeit zu kommen. Hier werde ich immer mit einem Lächeln begrüßt, das hatte ich bei meiner alten Arbeit nicht“, sagt Steffen. Sicher, es sei auch ab und an stressig, laut und trubelig, „aber man bekommt etwas Ehrliches zurück, was man in anderen Berufsbranchen so definitiv nicht hat.“